Finden Sie es auch so erleichternd, wenn es für Ihre komischen Gewohnheiten eine wissenschaftliche Erklärung gibt? Ich schon. Aber Achtung – hier kann auch eine Falle lauern. In die auch ich lange und sehr gerne getappt bin. Weil sie uns das Leben bequemer macht. Und bequem ist sooooo schön, oder? Die Falle funktioniert folgendermaßen: “Ah – es ist reine Wissenschaft, dass ich so fühle, denke, agiere. Tja, dann kann man wohl nichts machen.” Kapitel erledigt. Auch für die Frage der Fragen beim Ausmisten (Warum fällt das Loslassen so schwer?), gibt es eine wissenschaftlich untersuchte Erklärung. Ich wäre nicht ich, wenn ich es dabei belassen würde. Natürlich bekommen Sie auch ein paar hilfreiche Überlegungen, damit Sie es trotzdem schaffen, sich von Ballast zu trennen. Wissenschaft hin oder her.
Die allzu menschliche Verlustaversion
Wenn ich Ihnen jetzt einfach nur sagen würde, dass wir Menschen einfach nicht gerne verlieren, würden Sie sich gähnend einer anderen Beschäftigung zuwenden. Aber es gibt ein paar wirklich interessante – und auch sehr amüsante – Aspekte dieser Verlustaversion. Tatsächlich sind wir durch die Evolution so programmiert, dass unser Hirn manchmal “ACHTUNG: DROHENDER VERLUST” schreit, wo überhaupt kein Verlust in Sichtweite ist. Außerdem bewerten wir einen Verlust immer höher als einen Gewinn. Oder anders gesagt: ein Verlust schmerz mehr, als uns ein Gewinn freut. Auch dafür haben wir uns offensichtlich bei der Evolution zu bedanken. Hier liegt schon eine erste Antwort auf die Frage: Warum fällt das Loslassen so schwer.
In den 1990ern bar man in einer Studie die Teilnehmer*innen sich vorzustellen, sie wollten ein Auto kaufen. Einer Gruppe wrude das Basismodell für 12.000,- Dollar vorgestellt und man fragt sie, ob sie dieses Modell mit bestimmten Extras aufpeppen wollte. Natürlich gegen Bezahlung. Die Extras bildeten den Gewinn. Im Schnitt waren die Teilnehmer*innen bereit 13.600,- Dollar zu bezahlen.
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Der zweiten Gruppe wurde das Auto als Komplettversion mit allen Extras für einen höheren Preis angeboten. Für jedes Extra, auf das sie verzichteten, bekamen sie einen Preisnachlass. Die Teilnehmer*innen dieser Gruppe waren bereit 14.470,- Dollar zu bezahlen, weil sie den Verzicht auf die Extras als Verlust empfanden. Natürlich können Sie jetzt einwenden, dass es sich bei der Studie um keine reale Situation handelte und es sich nicht um echtes Geld drehte. Dann hätten aber alle einfach die teuerste Variante wählen können, oder nicht?
So können Sie die Verlustaversion austricksen
Vielleicht sind Sie schon selbst draufgekommen: Sie brauchen einen Gewinn, der so viel stärker ist, dass er selbst die potentere Verlustangst in Schach hält. Mit meinen Kund*innen mache ich mich deshalb ja auch ganz gründlich auf die Suche nach ihrem Leuchtturm.
Suchen Sie nach dem Ziel hinter der Ordnung. Etwas auf das Sie nicht länger verzichten wollen. Wenn Sie das gefunden haben, ist kein Gegenstand es wert, Ihrem Ziel im Weg zu stehen. Warum fällt das Loslassen so schwer – diese Frage darf dann der Vergangenheit angehören.
Der Endowment-Effekt
Der Endowment-Effekt (=Besitztums-Effekt) ist beim Ausmisten stärker aktiv, als der Verlusteffekt. Auch dazu gab es eine sehr bildhafte Studie. Studierenden einer amerikanischen Universität durften zwischen einer Tasse mit dem Logo der Universität oder einer Tafel Schweizer Schokolade wählen. Etwa die Hälfte entschied sich für die Tasse, die andere für die Schokoloade. Einer anderen Gruppe würde ebenfalls die Wahl gelassen, aber mit einem kleinen Twist: Alle Studierenden bekamen zu erst die Tasse geschankt. Danach wurde ihnen angeboten, sie gegen eine Tafel Schweizer Schokolade zu tauschen. Das Ergebnis? Nur 11% entschieden sich für den Tausch. Denn zur Tasse hatten sie schon ein Besitzverhältnis. Kurz zusammengefasst besagt der Endowment-Effekt also, dass wir Dinge, die wir besitzen in ihrem Wert höher einschätzen. Dieser Umstand erklärt die Frage “Warum fällt das Loslassen so schwer” ganz einfach mit der Tatsache, dass wir unseren Besitz als Teil von uns wahrnehmen. Ein bißchen verrückt ist das schon.
Falsche und richtige Rechnung
Die ökonomisch richtige Rechnung für unsere ganz normalen Alltagsgegenstände wäre ja:
Kaufwert minus Abnutzung = vermuteter Marktwert
Je nach Nachfrage liegt dieser Wert auch deutlich darunter. Eine Tatsache die vielen zu schaffen macht, wenn sie ihre aussortierten Gegenstände zu einem bestimmten Preis verkaufen möchten.
Viele rechnen aber folgendermaßen:
Kaufwert minus Abnutzung plus emotionale Verbindung = vermuteter Marktwert
Natürlich ist keine Käuferin an der emotionalen Verbindung interessiert. Daher gibt es keine Schnittmenge zwischen Käufer- und Verkäufermarkt. In der Konsequenz beschließen also viele Menschen, lieber an ihren Gegenständen festzuhalten. Sie gehen der Frage “Warum fällt das Loslassen so schwer” durch Verdrängung aus dem Weg. In Anlehnung an dieses Denkmuster gibt es im bayerischen den Spruch: “Lieber den Magen verrenkt, als dem Wirt was geschenkt.”
Wie Sie den Endowment-Effekt austricksen können
Die übliche Rechnung vernachlässigt zwei ganz wesentliche Faktoren:
- Zeit
- Platz
Wenn Sie also das nächste Mal – und das passiert ja meist automatisch – überschlagen, wie viel ein Gegenstand wert ist, dann atmen Sie kurz durch und korrigieren Ihre Formel:
Preis = Kaufwert minus Abnutzung plus Platzraub plus Zeitraub
Der Preis ist das, was Sie tagtäglich zahlen. Mit Nerven, Energie, Zeitverlust, Lebensqualität. Das Ergebnis können Sie jetzt mit dem Ergebnis Ihrer alten Formel vergleichen. Ich bin sicher, sie sind jetzt bereit, klarer zu sehen und sich von Ballast zu trennen.
Die Angst vor der Reue
Die Angst vor der Reue begegnet mir immer wieder, wenn ich mit Kund*innen den Ballast schrumpfe. Was wenn ich xy nochmal brauche? In meinen 1:1 Coachings habe ich einen sehr bewährten Prozess, damit die Angst vor der Reue schmilzt. Wenn Sie mehr dazu lesen möchten, bitte hier entlang.
Wie Ihnen die Wissenschaft wirklich hilft
Nun können Sie eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage “Warum fällt das Loslassen so schwer?” geben. Aber geben Sie sich damit zufrieden? Ich hoffe nicht. Denn jetzt könnten Sie sich diese wissenschaftliche Erkenntnisse zunutzen machen, anstatt sie lediglich als Begründung zu benutzen. Sie verstehen jetzt warum wir gepolt sind, wie wir gepolt sind. Jetzt können Sie sich entscheiden, nicht mehr den evolutionären Mustern zu folgen, sondern Ihren eigenen Weg zu gehen. Ein paar erste Hinweise, wie das gelingen kann, haben Sie von mir bekommen. Ein letzter Tipp noch: Machen Sie es wie die Wissenschaft. Probieren Sie neue Wege und betrachten Sie es als ein Experiment. Beobachten Sie während des Experiments, was mit Ihnen passiert. Meiner Erfahrung nach wird das Experiment folgendes Ergebnis haben: “Es geht leichter als ich dachte und ich fühle mich um Tonnen leichter.”
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