
Keine Angst vor Entscheidungen
Als ich im April zum Studiogespräch beim ORF eingeladen war, haben die Redakteurin und ich – wie das so üblich ist – vorher ein paar Fragen besprochen. Für eine davon bin ich ihr wirklich dankbar, weil sie mich zum Nachdenken gebracht hat.
„Also, ich habe mich entschieden und miste etwas aus. Irgendwann später bereue ich es, weil ich es jetzt doch brauchen könnte. Wie vermeide ich solche Situationen? Was muss ich tun, damit ich keine Fehlentscheidungen treffe?“ Als ich die Frage hörte, krampfte sich alles in mir zusammen. Ich wollte einen Ratschlag geben, mit dem man eine solche Situation vermeiden kann. Ich fing also an zu überlegen und zu formulieren. „Naja, man sollte sich das einfach gut überlegen und es ist wichtig, dass die Entscheidung wirklich von einem selbst getroffen wird und man sich nicht von irgendwem überreden lässt.“
Die Wahrheit will raus
Puh. Sätze die mit „naja“ anfangen, die landen am Ende immer in der dickflüssigsten Schwammigkeit. Sobald die Worte meinen Mund verließen, merkte ich, das wird nix, mit dem ultimativen Ratschlag. Also nochmal tief durchatmen, die Gedanken sammeln und die Wahrheit sagen.
„Man kann solche Situationen nicht vermeiden.“ So. War gar nicht so schwer. Weil es genauso ist.
Leute, traut Euch Entscheidungen zu treffen. Traut Euch, auch Fehlentscheidungen in Kauf zu nehmen. Die einzige Möglichkeit, keine Fehlentscheidungen zu treffen, ist überhaupt keine Entscheidungen zu treffen. So habe ich dass dann auch im Studiogespräch gesagt. Die Moderatorin nickte, wenn auch nicht besonders erfreut.
Manchmal kommen meine Kinder zu mir und zeigen mir empört wirklich winzige Blessuren, die sie sich beim Spielen geholt haben. Sie weinen dann nicht, sondern sind schlichtweg über die Tatsache außer sich, dass sie sich weh getan haben. Es steckt die gleiche Vorstellung dahinter: Spielen ohne Wehtun – ein Leben ohne Fehler. Meinen Kindern sage ich dann „Die einzige Möglichkeit, keine Verletzungen zu bekommen, ist die ganze Zeit auf der Couch zu sitzen.“ Natürlich würden sie lieber von mir bedauert werden, aber damit täte ich ihnen keinen guten Dienst.
Die armen Fehler – keiner will sie
Es beschäftigt mich seitdem, warum so viele Menschen sich mit Fehlern so schwertun. Und die Frage davor lautet: was macht denn einen Fehler eigentlich zu einem Fehler?
Nehmen wir das Beispiel Ausmisten. Jemand beschließt, endlich auszumisten. Er hat gute Gründe dafür, es zu tun. Vielleicht ist er sogar bereit, aus seiner Komfortzone zu gehen und auch schwierige Entscheidungen endlich in Angriff zu nehmen. Und er hat ein Ziel vor Augen: eine luftige Wohnung; endlich mehr Überblick; dem ewigen Großaufräumen ein Ende zu setzen – was auch immer ihn bewogen hat, jetzt soll es Wirklichkeit werden.
Wenn man ausmistet – und mehr noch, wenn man das schon sehr lange nicht mehr gemacht hat – dann kommen haufenweise Entscheidungen auf einen zu. Jedes Stück steht zur Debatte und muss bewertet werden und darüber entschieden werden: bleiben oder gehen. Alle diese Entscheidugen führen zu dem Ziel, dass man sich gesteckt hat. Sie sind in dem Moment also sinnvoll und gut.

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Und dann passiert das Leben und es kommt eine Situation, in der man vielleicht denkt „Oh, das hätte ich jetzt doch noch gebrauchen können“. Jetzt kommt der Knackpunkt: wie bewerte ich nun diese Situation, wie bewerte ich mich und was leite ich daraus für mein weiteres Tun ab.
Wir wollen es leicht und machen’s uns schwer
Szenario 1
Ich ärgere mich fürchterlich und bereue die ganze Ausmistaktion. Es war ja klar, dass mir sowas passieren würde. Vielleicht beschimpfe ich mich sogar selbst, weil ich nicht besser nachgedacht habe. Dann nehme ich mir vor, dass mir das garantiert nicht mehr passieren wird. Wenn ich ausmiste, dann endet das ja eh immer im Desaster.
Aus Angst vor solchen Szenarien, scheuen sich viele Menschen, das Ausmisten anzugehen. Sie fürchten sich vor der Möglichkeit, eine Entscheidung treffen, die sie vielleicht später bereuen. Aber meist steckt noch viel mehr dahinter, nämlich die Angst, dass die Reue alles überlagert und sie quasi nicht aufhören können zu bereuen. Das Erreichte ist dann nichts mehr wert. Es existiert nicht. Die Reue über die Fehlentscheidung überlagert alles.
Szenario 2
Ich ärgere mich. Aus.
Ja, Szenario 2 ist herrlich kurz. Danach kann das Leben gleich weitergehen. Ich behaupte mal, wir alle möchten gerne Szenario 2 leben. Und doch herrscht Szenario 1 oft über uns. Ich schreibe das ganz bewusst so: in Szenario 1 werden wir beherrscht, in Szenario 2 sind wir frei.
Tipps zum Umgang mit der Angst vor Fehlentscheidungen
Jetzt ist natürlich die große Frage: wie kommen wir dahin? Ich selbst war lange Zeit sehr fehlerintolerant. Erst meine Kinder, die Art wie sie lernen und die Erkenntnis, dass ich ihnen diese Art erhalten wollte, haben mich zum Umdenken gebracht.
1. Umformulieren
Ich bezeichne innerlich nicht mehr alles als Fehler. Ich benutze lieber die Formulierung „Resultat“. Manche Resultate sind eben ungünstig. Aber sie sind auch aus einer guten Absicht entstanden und deshalb nicht in Grund und Boden zu verdammen. Vor allem aber sollte man daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Es ist sinnvoller sich zu überlegen, wie man es das nächste Mal besser anstellt, anstatt zu beschließen, inaktiv zu bleiben. „Aus Fehlern kann man lernen“. „Jajablabla“ werden Sie jetzt vielleicht denken. Probieren Sie es beim nächsten Mal vielleicht einfach mal aus. Wie vieles, ist auch das eine Übungssache. Ich spreche aus eigener Erfahrung.
2. Was ist das Ziel?
Fragen Sie sich immer, was Ihr Ziel ist. Wenn ich mit Kunden arbeite, die sich mit Entscheidungen schwer tun, mache ich zunächst nur eines: ich erinnere sie daran, dass sich mich ja aus einem bestimmten Grunde gerufen haben. Das hilft immer, damit sie sich wieder auf ihr Ziel konzentrieren können und ihre Angst vor möglichen Fehlentscheidungen sie nicht mehr völlig hemmt. Behalten Sie das Ziel auch im Auge, wenn sich vielleicht später rausstellt, das Sie sich von etwas vorschnell getrennt haben. Es ist nur ein kleiner Teil eines in Summe erfolgreichen Prozesses.
3. Experimentieren
Ich geben meinen Kunden zum Abschluss einer Arbeitseinheit gerne eine Experimentieraufgabe, weil ich Ihnen oft mehr zutraue, als sie sich selbst. Z.b. ermutige ich sie, sich von einem Teil der ungelesenen Zeitschriften zu trennen und nur noch 5 Exemplare zu behalten. Wie fühlt es sich an, sich zu trennen? Wie lange danach denken sie noch an die Zeitungen? Tritt irgendwann auch ein Gefühl der Erleichterun ein? Wie ist es, sich aus der Komfortzone zu bewegen?
Sie werden
- nichts über sich herausfinden, wenn Sie nicht auch mal ein wenig mit sich experimentieren
- nicht herausfinden, wie Sie mit einer vermeintlichen Fehlentscheidung umgehen, wenn Sie nicht die Möglichkeit nutzen, auch mal eine zu machen
- nicht herausfinden, ob Sie sich tatsächlich wochenlang über einen verlorenen Gegenstand grämen, wenn Sie nicht mutig ausmisten. Stellen Sie sich vor, sie bemerken, dass Sie mit Leichtigkeit darüber hinwegkommen. Wäre das nicht eine großartige Erkenntnis?
Gönnen Sie sich die Möglichkeit, etwas über sich selbst zu erfahren!
4. Seien Sie großzügig mit anderen
Der beste Weg, gnädig mit den eigenen Fehlern und Fehlentscheidungen umzugehen, ist gnädig mit anderen zu sein. Es ist aber auch für viele der schwerste. Der Vorteil: Sie haben jeden Tag mannigfach Gelegenheit zu üben.
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