
Das Telefongespräch überraschte mich nicht. “Ich hab einfach keine Zeit zum Aufräumen!” war die Diagnose meines Anrufers. Der Steuerberater, der mich anrief und seine Situation schilderte, hatte es satt sich jeden Abend über seine Unordnung zuhause zu ärgern. Und auch über sich selbst. Was war da nur los? Warum bekam er zuhause keine Struktur hin? Er war ja schließlich nicht blöd! Im Job war er erfolgreich und ziemlich eingespannt. Er hatte einen großen Freundeskreis, arbeitete ehrenamtlich als Rettungssanitäter und war an seinen freien Tagen immer sehr aktiv: im Schrebergarten, beim Wandern, beim Lesen von Fachbüchern. Er beendete seine Schilderung fast ein wenig triumphierend. Fast so, als wolle er von mir am liebsten hören, dass man dann wohl wirklich nichts gegen die Unordnung tun könne. Denn: wenn die Stunden von morgens bis abends gefüllt sind, sind einem doch die Hände gebunden, oder?
Wer Ordnung schaffen will, braucht Klarheit
Wie so viele Bedenken, denen wir in unserer Arbeit als Ordnungscoach begegnen, hat mich auch “Ich hab keine Zeit zum Aufräumen” in den ersten Jahren verunsichert. Was könnte ich diesen Menschen raten? Wie kann ich ihnen zum Erfolg verhelfen? Ich hab ja keine Ahnung von ihrem Alltag. Darf ich mich da überhaupt einmischen?
Nein – einmischen darf ich mich nicht. Aber ich kann trotzdem helfen. Im ersten Schritt schaffe ich Klarheit. Klarheit über
- das Ziel
- den Weg
- die Aufgaben
Wer nicht weiß warum, hat keine Zeit zum Aufräumen
Wer “keine Zeit” hat, ist sich einfach nicht klar genug über das Ziel. Das fängt damit an, sich zu fragen “Warum will ich denn überhaupt xy?” Meine Arbeit fängt deshalb immer damit an, dass sich meine Kund*innen genau das fragen. “Warum will ich denn überhaupt Ordnung.” Erstaunlicherweise ist das fast immer ziemlich unklar. Logisch, dass man sich für ein unklares Ziel nicht anstrengen will. Aber: ohne Anstrengung geht es nicht. Für niemanden. Auch für mich nicht. “Mein” Steuerberater und ich saßen, überlegten, schrieben und zeichneten. Am Ende hatte er ein klar definiertes und – noch viel wichtiger – spürbares Ziel: “Ich will Herr meines Lebens sein.”
Nun – das hat doch eine Tonne mehr Drive als “Ich will Ordnung.”
Für dieses Ziel – das war meinem Kunden sofort klar – würde er einiges investieren müssen. Aber auch wollen. Nicht zum zum ersten Mal hatte er in seinem Leben schwierige Aufgaben übernommen, Herausforderungen gestemmt, neue Wege ausprobiert. Warum sollte es ihm also diesmal nicht gelingen?
Richtig! Es gab keinen Grund.
Klarheit über den Weg zur Ordnung
Als nächstes schafften wir Klarheit über den Weg. Beim ersten Augenschein in der Wohnung schien eigentlich alles gut strukturiert. “Jaha – aber warten Sie mal ab, bis Sie in meine Kästen und Schubladen schauen.” Aha. Das Phänomen war mir bekannt. Viele meiner Kund*innen verbergen ihre Unordnung hinter verschlossenen Türen. Manche haben sogar ein eigenes Zimmer dafür – das Wurfzimmer, wie es eine Kundin nennt. Also ließ ich mir mal die geheimen Chaos-Orte zeigen: überfüllte Schränke, Schubladen ohne Struktur, nicht genutzter Stauraum, Kästen in die “ich schon ewig nicht mehr reingeschaut habe, weil ich das Chaos gar nicht sehen will.“
Der Weg war klar:
- eine komplette Sichtung aller Gegenstände
- die Entscheidung, was darf noch einen Platz in seinem Zuhause bekommen
Spätestens jetzt war meinem Kunden klar: er hatte sich für einen Marathon entschieden – nicht für den Sprint. Aber anders als früher, war er jetzt bereit dafür. Mit seinem Ziel hatte sich seine Einstellung geändert. Dass er sich anstrengen konnte und fokussiert ein Ziel verfolgen – das wusste er. Also würde er sich eben diesmal für die Ordnung anstrengen. Hier schwante ihm auch schon, dass der Satz “Ich habe keine Zeit zum Aufräumen” nicht sehr hilfreich sein würde. Im Grunde ist das der immerwährende Joker, einfach alles beim Alten zu lassen und nichts zu verändern. Was völlig in Ordnung ist. Nur wäre es ehrlicher sich einzugestehen, dass man keine Zeit investieren MÖCHTE.

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Auch früher schon hatte er sich Experten zur Seite genommen, wenn er sich auf neues Terrain begab: sei es beruflich oder für seine Gartenpassion. Nichts anderes hatte er auch diesmal getan, als er mich anrief. Instinktiv hatte er auf eine Strategie zurückgegriffen, die für ihn bisher schon oft funktioniert hatte: Unterstüzung von außen. Also sahen wir uns mal an, welche anderen hilfreichen Strategien er sonst noch im Gepäck hatte. Denn die würden uns auch jetzt helfen.
Zeit schaffen fürs Aufräumen
Der Weg war klar. Die Aufgaben somit auch. Es standen viele Entscheidungen an. Das Aussortieren, die Bestandsaufnahme des eigenen Besitzes ist immer mit Entscheidungen verbunden. Was bleibt? Was geht? Was belastet? Was nützt? Was macht Freude? Was löst Ärger aus?
Diese vielen Entscheidungen fallen sicher, wenn das Ziel mit der eigenen Person im Einklang ist. Das ist die entscheidende Zutat. Sie macht den Unterschied.
- Klar entscheiden statt ewig grübeln
- Anfangen statt aufschieben
- Durchhalten statt aufgeben
- Neues ausprobieren statt auf alten Wegen stecken bleiben.
Und ganz wichtig: die Realität akzeptieren statt in der Phantasiewelt schwelgen
Zu Realität gehört, dass jeder Mensch auf dieser Welt die genau gleiche Anzahl an Stunden zur Verfügung hat. Wir alle entscheiden uns, wie wir unsere Zeit verbringen. Zumindest die Zeit abseits unserer alltäglichen Verantwortungen. Meist ist unsere Zeit schon ziemlich strukturiert. Was also tun, wenn wir uns einem größeren Projekt annehmen wollen? Das Paket mit den zusätzlichen Stunden wird nicht kommen. Es bleibt also nur eines: die Stunden neu planen.
Und hier kommt das, was ich gerne als “langweilige Erwachsenenwahrheit” bezeichne:
Um Zeit für ein neues, großes Ziel zu gewinnen, müssen wir uns entscheiden, auf etwas anderes zu verzichten. Und auf was konkret wir verzichten werden.
Bumm.
Ohne Verzicht kein Erfolg
Wenn Sie also wirklich, wirklich mehr Ordnung wollen, aber sich immer wieder sagen hören “Ich habe keine Zeit zum Aufräumen”, dann überlegen Sie bitte:
- Wann möchte ich mich meinem Ordnungsprojekt fertig sein?
- Wieviele Stunden werde ich dafür brauchen?
- Wieviele Stunden kann ich in der Woche/Monat dafür investieren?
- Was mache ich stattdessen nicht?
Vor allem Punkt vier ist wichtig. Je klarer Sie sich darüber sind, was Sie nicht mehr tun, desto leichter wird es Ihnen fallen, sich an Ihren Zeitplan zu halten. Das kann sein
- einmal die Woche nicht fernzusehen
- Samstags früher aufzustehen
- auf die dritte Sporteinheit in der Woche zu verzichten
- das Theaterabonnement für eine/zwei Saisonen auszusetzen.
Einmal anstrengen – täglich profitieren
Sie müssen nicht Ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen. Aber ohne eine Neustrukturierung Ihres Alltags wird es nicht die Veränderung geben, die Sie sich wünschen. Zum Schluss gebe ich Ihnen noch den erleichternden Zusatz zur Erwachsenenwahrheit mit: Sie verzichten nur für die Zeit Ihres Zielprojektes auf Ihre Gewohnheiten. Danach können Sie nicht nur Ihren Alltag wie gewohnt wieder aufnehmen – er wird auch leichter für Sie sein. Sie strengen sich einmal richtig an und genießen danach täglich die vielen Vorteile.
Mein Kunde hatte sich entschieden, für das nächste Jahr seine ehrenamtliche Tätigkeit zu reduzieren und nur einen Tag am Wochenende im Garten zu verbringen. Er bat seine Nachbarn im Notfall, die Blumen zu gießen. Mich bat er jeden zweiten Samstag zu sich. Er investierte Zeit und war bereit zum Verzicht. Nach 4 Monaten hatte er genau das erreicht, was er sich jahrelang gewünscht hatte.
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Und übrigens: wir misten nicht aus. Wir machen eine Bestandsaufnahme: des Lebens, der Wünsche und der Bedürfnisse.
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