Der Eierschneider für die perfekten gleichmäßigen Eierscheiben.
Der Gurkenlift für die eingelegten Gurken.
Der rutschfeste Babytellermituntersetzer für kleckerfreies Essen von Anfang an.
Was haben diese Alltagshelfer gemein? In meinen Augen nur eines: sie lösen Probleme, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben. Probleme, die wir vermutlich nie bekommen werden. Probleme, die wir auch ganz anders zu lösen im Stande sind.
Wer keine Sandwichbar hat, wo jeden Tag mehrere hundert Eier geschält und in Scheiben geschnitten werden müssen, kommt mit einem stinknormalen Messer eigentlich gut über die Runden. Ich glaube sogar, dass der Eierschneider in einem normalen Haushalt vermutlich nur ein paar Mal verwendet wird. Dann merkt man, wie umständlich er zu reinigen ist. Und er wird seine Schublade nie wieder verlassen.
Hält der Alltagshelfer nicht, was er verspricht, passiert oft etwas Komisches: wir ersetzen ihn durch einen vermeintlich besseren Alltagshelfer, anstatt auf unseren Hausverstand zurückzugreifen. Na und dann liegen da zwei Problemlöser rum.
Beliebte Zielgruppe für Alltagshelfer: Erstlingseltern
Vor allem junge Eltern sind mit solchen Alltagshelfern schnell zu verunsichern – und somit auch gleich zum Kauf bereit. Wer das erste Mal Eltern wird, hat wenig Vorstellung, was auf sie und ihn zukommt. Tjaha – und da kommen dann die Produktentwickler auf den Plan. Die wissen nämlich ganz genau, welche Gedanken und Sorgen sich Eltern machen. Die Furcht dem eigenen Kind nicht hundertprozentig gerecht zu werden, kann zu grotesken Gedankenspielen führen.
Von den ganzen Förderspielsachen will ich gar nicht erst anfangen.
Ich war auch mal Erstlingsmutter. Deshalb weiß ich leider auch, welchen Druck man sich selbst macht, damit man dem Kind alle Förderungen angedeihen lässt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich beim Besuch einer Freundin den Motorikwürfel bestaunte. Dort gab es jede Menge zu Schieben, zu Drücken, zu Drehen und was weiß ich nicht alles. Ja, war ich denn völlig von Sinnen, noch keinen Motorikwürfel besorgt zu haben? Wie würde unser Sohn seinen Lebensweg beschreiten, wenn er nie die Möglichkeit hatte, eine Holzkugel über einen krummen Draht von A nach B zu schieben?
Aus Mangel an Platz bei uns zu Hause, hab ich dann doch keinen gekauft. Trotzdem erinnere ich mich noch gut an meine Unruhe und die sorgenvolle Beobachtung unseres Sohnes. Gräßlich!
Aber bleiben wir mal bei ganz banalen Alltagssituationen. Wie z.B. den täglichen Mahlzeiten.
Die Lösung für die meisten Probleme haben wir bereits
Babies schieben, schubsen und wackeln alles was in Reichweite ist. Das ist nicht viel – aber es reicht, um Eltern ins Schwitzen zu bringen. Gerade das Essen sieht man halt nicht so gerne durch die Wohnung fliegen. Absolut verständlich. So ein Untersetzer mit integriertem Teller scheint also die Lösung für ein (in Wirklichkeit recht banales Problem). Ich habe so ein Ungetüm einmal bei einer Familie entdeckt. Es besteht aus gummiartiger, rutschfester Masse. Teller und Untersetzer sind aus einem Guss. Problem gelöst! Wurde es auch verwendet?
Natürlich nicht. Es war schlecht zu säubern und passte zudem nirgends in den Geschirrschrank. Außerdem hatte man bei der Entwicklung nicht bedacht, dass das Ding zwar nicht rutscht, aber genau wie andere Teller auch hochgehoben werden kann. Der Brei spritzt im Übrigen auch aus diesem Geschirr in hohem Bogen durch das Zimmer, wenn das Baby den Löffel mit Karacho rein sausen lässt. Der Alltagshelfer machte mehr Probleme, als er löst.
Was passiert also? Das Produkt schwört ein Problemszenario herauf (“Stell Dir bloß mal vor, Dein Baby schubst sein Tellerchen vom Tisch. Dieses Sauerei!”)
Konsument*in gerät ins Schwitzen und verabschiedet sich für den Rest des Lebens von ruhigen Mahlzeiten.
Produkt verspricht Lösung: “Hey – mit unserer tollen UnterlageplusTellerchen kannst Du Dein Baby quasi unbeaufsichtigt lassen und selbst ganz in Ruhe essen.“
Konsument*in atmet auf. Der Puls beruhigt sich, der Schweiß trocknet. Das Leben kann weitergehen.
Ordnung halten ganz nebenbei?
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Wir springen in der Zeit ein paar Monate weiter und machen den Realtitätcheck:
Das Baby patscht mit dem Löffel quietschend in den Brei und lacht schallend. Anschließend lupft es die Unterlage samt Teller an. Hey, das lässt sich ja hochheben! Tolle Sache. Oh – wie schön der Brei aus dem Teller läuft! Mamaaa, Papaaaa schaut mal was ich kann!
Im Endeffekt man macht man also, was alle Eltern machen: man sitzt neben dem Baby, hält den Teller in Schach und wischt danach den Boden. Das Ganze kann man auch mit einer ganz normalen Babyschüssel machen. Mit einer, die auch gut in die Spülmaschine passt, die man gut verstauen kann und die man auch noch nach der Babyzeit verwenden kann.
Das ist im Übrigen auch eine Erkenntnis vieler Eltern: den meisten Kram, den man sich auf diese Weise einreden lässt, braucht man gerade mal ein paar Monate. Billig ist das ganze Zeug aber deshalb nicht.
Die Panik lähmt unseren Hausverstand
Wir lösen oft Probleme, die wir noch gar nicht haben. Oder die wir auch lösen könnten mit Dingen, die wir bereits besitzen. Ohne Geld für einen neuen Alltagshelfer auszugeben.
Warum aber setzt unser Verstand im Angesicht angeblicher Problemlöser oft komplett aus? Und wie können wir verhindern, dass wir panisch zuschnappen und uns Dinge ins Haus holen, die grandios unnötig sind?
Ich kann nur vor mich hinraten.
Eine These ist, dass wir Menschen darauf ausgerichtet sind, Probleme zu lösen. So entwickeln wir uns seit dem Neandertal weiter. Unser Problemradar ist immer im Einsatz.
Nun könnte man ja auch sagen, ein Problem wahrzunehmen, muss nicht immer heißen, es auch zu lösen. Und genau hier möchte ich auch einhaken.
Grundsätzlich empfinden wir Probleme als einen Störenfried. Der muss beseitigt werden. Schnell! Dieser Mechanismus funktioniert vermutlich ganz automatisch. Dabei vergessen wir – gerade wenn es um eingeredete Problem geht – erstmal zu überlegen:
- ist dieses Problem wirklich auch für mich eines?
- wie würde ich es ohne das Dinge lösen (wie würde ich Eier ohne Eierschneider schneiden)?
- wie oft und wie lange wird mich das Problem vermutlich begleiten?
Also ein Problem sehen muss nicht immer gleich heißen, es auch auf der Stelle zu lösen. Viele Probleme, die wir sehen, betreffen uns in Wahrheit nie. Oder sie sind so banal, dass wir sie auch anders lösen können. Ohne extra Ausrüstung.
Wir brauchen Bedenkzeit
Ich habe vor Jahren damit begonnen, mich zu immunisieren. Es begann alles in einer Tchibo-Filiale. Damals fiel mein Blick auf einen Ananas-Schneider. Herrjee, wie konnte ich bisher ohne auskommen? Wie hatte ich bisher Ananas geschnitten? War es nicht eigentlich so, dass ich mich jahrelang nach Ananas verzehrt hatte, aber aus Mangel an einem Gerät nie eine gekauft hatte? Wie sehr hatte ich mich dadurch doch in meiner Lebensqualität eingeschränkt!
Das sollte jetzt ein Ende haben. Der Ananas-Schneider würde eine neue Ära der Lebensfreude einläuten. Ananas jeden Tag!
Sie ahnen schon – der arme Ananaschneider durfte sich ein paarmal beweisen. Danach lag er unnütz in der Schublade.
Seitdem überlege ich mir immer, wenn ich auf vermeintlich praktische Alltagshelfer stosse:
Habe ich das Problem auch
schon vorher empfunden?
Wenn die Antwort nein ist, ist für mich klar – das Ding brauche ich nicht. Ich bin bisher auch sehr gut ohne ausgekommen. Sollte ich es nach einer Woche noch besitzen wollen, kann ich es mir immer noch kaufen. Ich verschaffe mir also Bedenkzeit.
Genau die wird uns aber bewusst – vor allem online und beim Tele-Shopping – genommen. Der Verknappungsdruck macht uns nervös. Aber ganz ehrlich: es gibt keine Verknappung. Schließlich wollen die Unternehmen ja immer was verkaufen. Also lassen Sie sich davon nicht mehr ins Bockshorn jagen. Verschaffen Sie sich Bedenkzeit und machen Sie es sich zur einfachen Regel: Ich kaufe erstmal nix!
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