“Ich hab als Erwachsene erst die Diagnose bekommen. Seitdem ist mir soviel klar geworden.” Meine Kundin führt mich durch ihre Wohnung. “In meinem Kopf sieht es irgendwie genauso aus, wie in der Wohnung.” Ordnung und ADHS ist ein ganz besonderes Thema und auch eine besondere Herausforderung.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie sich der Alltag und seine Anforderungen für Menschen mit ADHS anfühlen muss. Anstrengend, vermute ich mal. Die späte Diagnose ist für meine Kundin zwar eine Erleichterung, weil sie jetzt versteht, dass sie nicht “falsch” ist. Trotzdem bleiben die Herausforderungen natürlich die gleichen. Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet und muss deshalb mit meinen ADHS-Kund*innen mehr überlegen als sonst. Denn das, was bei so vielen anderen funktioniert, muss ich hier gründlich hinterfragen.
Die Herausforderungen bei Ordnung und ADHS
Dabei ist weniger das Aussortieren ein Problem (die meisten sind wahnsinnig entscheidungsfreudig), sondern die Vorgehensweise und auch das Ordnungssystem. Meine Kund*innen mit ADHS erzählen mir alle von ähnlichen Problemen:
- Beim Aufräumen verzetteln sie sich (gut, dass passiert auch anderen häufig)
- Wenn sie ihre Dinge nicht sehen, dann vergessen sie sie binnen kürzester Zeit
- sie interessieren sich für sehr viele Sachen
(ACHTUNG: Wenn Sie sich hier wiederfinden, heißt das nicht, dass Sie ADHS haben. Eine Diagnose kann nur ein*e Psychiater*in stellen.)
Gleichzeitig wollen sie für sich ein geklärtes Umfeld, damit der ohnehin sehr beanspruchte Kopf bessere Chancen hat, zur Ruhe zu kommen. Außerdem wünschen sie sich natürlich einen reibungsloseren Alltag. Denn – auch das haben viele gemeinsam – in ihrer Arbeit sind sie extrem gewissenhaft und ehrgeizig. Allein ihre anstrengende Disposition scheint so viel Energie sinnlos zu verbrauchen. Ordnung und ADHS ist also gleichzeitig das Problem, wie auch die Medizin.
Viel Input und kaum Output
Was ebenfalls alle zermürbt ist die Tatsache, dass sie so viel an ihrer Ordnung arbeiten. Nur sehen sie keine Erfolge. Oder die Erfolge sind nur kurzfristig. Alles scheint immer in Bewegung. Nichts hat Bestand. Dabei wäre es so wichtig, wenn man sich darauf verlassen könnte: “Ich räume auf und folglich hab ich Ordnung.” Wir können uns sicher alle vorstellen, wie frustrierend das sein muss und wie demotivierend. Da wachsen dann auch die Selbstvorwürfe und am Ende steht ein Selbstbild, das meinen wunderbaren, liebenswerten, eifrigen Kund*innen überhaupt nicht gerecht wird: “Ich bin unfähig.” Ordnung und ADHS müssen sich aber nicht automatisch ausschließen.
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Als erstes kümmern wir uns natürlich um den Leuchtturm. Wir schauen in die Kindheit zurück, machen uns auf die Suche nach den ganz speziellen Wünschen, die mit der Ordnung verknüpft sind und erarbeiten ein Ziel, dass sich auch wirklich lohnt. Eigentlich wie mit meinen anderen Kund*innen auch. Mit dem Unterschied, dass wir immer auch nachforschen, wie ihre besondere Disposition da reinpasst. Denn eines ist mal sicher: die üblichen “Hacks”, die vielen perfekten Vorbilder quer durch alle Medien (sozial oder auch nicht), die Vorstellungen “wie etwas zu sein hat” – die darf man mal getrost vergessen. Ordnung und ADHS kann keiner Schablone folgen.
Was Menschen mit ADHS leicht fällt
Menschen mit ADHS brauchen von außen jemanden, der den Fokus für sie hält. Eine Kundin hat mir mal vom Konzept des “Body Doubling” erzählt. Beim Body Doubling geht es einfach nur darum, als zweite Energie im Raum zu sein. Allein das hilft schon, konzentriert an einer Sache dran zu bleiben. Das ist auch meine Erfahrung. Wenn ich mit meinen ADHS-Kund*innen arbeite, sind sie ganz bei der Sache. Ich achte dann darauf, dass wir rechtzeitig Pause machen. Denn auch das fällt mir auf: in ihrem Eifer übersehen sie oft den Zeitpunkt für eine notwendige Auszeit. Die Anzeichen sind ganz unterschiedlich. Damit sie nicht von der Konzentration in die Überforderung rutschen, beobachte ich genau und läute dann die Pausenglocke.
Auch beim Aussortieren sind meine Kund*innen sehr flott. Üblicherweise fällt es ihnen – sobald wir die mentale Vorbereitung abgeschlossen haben – sehr leicht, die Spreu zu erkennen und die auch loszulassen. Sie sind meist sehr pragmatisch. Mein Eindruck ist von ihnen ist “Ich hab kapiert, worum es geht. Ich hab verstanden, was zu tun ist. Also tu ich es.“
Auch das Zwischenstadium “Chaos” oder vielleicht sogar “noch mehr Chaos” können sie gelassen hinnehmen. Ihre Frusttoleranz ist, was diesen speziellen Zustand angeht, hoch.
Ordnung und ADHS braucht Spielraum
Ein starres System wird Menschen mit ADHS gleich wieder zu Fall bringen. Es ist ganz wichtig, gemeinsam auf die Suche zu gehen und der eigenen inneren Logik zu folgen. Ein Vergleich mit meinem eigenen System oder Vorschläge von mir sind nicht das erste Mittel der Wahl. Also nehmen wir uns Zeit. Meine Kund*innen werden dann oft schon ungeduldig und hätten gerne ein Rezept von mir. Aber ich weiß: nur die eigene Logik wird ihnen auch später helfen, ihr System zu managen. Die Ergebnisse unserer Überlegungen sind oft sehr überraschend und kreativ. Die Arbeit mit meinen ADHS-Kund*innen ist auch für mich irrsinnig lehrreich und dafür möchte ich hier an dieser Stelle einfach mal allen DANKE sagen!
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