Im Black­out: über das Los­las­sen von Besitz

Ein leichter Alltag ist gewinnbringender, als die perfekte Vorbereitung auf Ausnahmen

“Mama, hast Du die Perü­cke noch?” Mein Sohn steht am Mitt­woch kurz bevor er zur Schule muss im Wohn­zim­mer. Die Perü­cke, die er jetzt gerne hätte, haben wir vor 4 Jah­ren gemein­sam aus­sor­tiert. Die Kin­der fan­den, die Ver­klei­de­kiste sei nicht mehr von­nö­ten, also haben wir sie einem Kin­der­gar­ten geschenkt. Die frag­li­che Perü­cke war eine Oma-Perü­cke mit Dutt. Mein Sohn hatte sich in der Volks­schule ein­mal als Oma ver­klei­det. Nun hätte er sie gerne für den Motto-Tag in der Schule gehabt. “Nein – die haben wir damals mit der Ver­klei­de­kiste ver­schenkt.” Die­ser kleine Moment hat mich mal wie­der dazu gebracht über das Los­las­sen von Besitz nach­zu­sin­nen.

Das Glück der ande­ren

Ich bin nach die­sem kur­zen Gespräch in die Gedan­ken­welt eini­ger mei­ner Kund*innen abge­taucht. Ich höre sehr, sehr oft einen Satz wie die­sen: “Weißt Du, da hat mich dann letz­tens meine Tochter/​Nachbarin/​Partner gefragt, ob wir noch X haben. Und ich konnte sagen ‘ja, haben wir noch’. Das hat mich so glück­lich gemacht, dass ich hel­fen konnte.” Klar stellt man sich dann die Frage, wozu das Los­las­sen von Besitz über­haupt gut sein soll.
Mit die­sem Erleb­nis im Kopf und im Herz rin­gen sie dann beim Aus­sor­tie­ren mit sich. Denn jedes Stück ist ja ein poten­ti­el­les “Ich kann helfen”-Erlebnis. Dage­gen ist der Gedanke, jeman­den even­tu­ell ent­täu­schen zu müs­sen nicht so ange­nehm.
Meine Kund*innen, die so den­ken ver­knüp­fen viele ihrer Gegen­stände also ganz stark mit dem Gefühl hel­fen zu kön­nen, andere zufrie­den zu machen und für andere Pro­bleme zu lösen. Kann und darf man sich davon über­haupt eman­zi­pie­ren? Ist es nicht wun­der­voll, wenn Men­schen ande­ren so gerne hel­fen?

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Ich begleite gerade eine 70-jäh­rige Frau beim Los­las­sen und Redu­zie­ren. Letz­tens hat­ten wir eine kleine Voll­au­to­ma­ten-Kaf­fee­ma­schine. So eine, für die man Kap­seln braucht. Meine Kun­din ver­wen­det für ihren Kaf­fee immer frisch gemah­lene Boh­nen. Also sah ich sie fra­gend an. “Nun – ich habe eine Freun­din, die trinkt nur kof­fe­in­freien Kaf­fee. Aber die kommt so sel­ten – wenn ich da gemah­le­nen Kaf­fee kaufe – der schmeckt ja dann nicht mehr.” Da hatte ich mein Stich­wort: Sel­ten. Ist es es wirk­lich wert, die Abstell­flä­che mit einem Gerät zu ver­stel­len, das nur in ganz sel­te­nen Momen­ten zum Ein­satz kommt? Was würde mei­ner Kun­din denn viel­mehr hel­fen in ihrem All­tag? Wie könnte sie das Kof­fein-Dilemma denn noch lösen? Sie beschloss: die Freun­din würde halt mit Instant-Kaf­fee vor­lieb neh­men müs­sen. Und die Kap­sel­ma­schine wan­derte in die Spen­den­kiste. Das Los­las­sen von Besitz ist immer eine Abwä­gung. Eine der wich­tigs­ten Vor­übun­gen ist es also her­r­aus­zu­fin­den, was man denn gegen was abwä­gen möchte.

Der Frust über Fehl­ent­schei­dun­gen

Ich habe mich nach dem Perü­cken-Gespräch dann selbst beob­ach­tet. War ich gefrus­tet? Hat es mir leid getan? Hatte ich viel­leicht sogar ein schlech­tes Gewis­sen? Nein. Nein. Ja.
Die­ses kurze Hin und Her mit mei­nem Sohn fand ja nicht zum ers­ten Mal statt. Hin und wie­der wird nach einem Gegen­stand gefragt, den wir gemein­sam aus­ge­mis­tet haben (wohl­ge­merkt: meine Kin­der tref­fen diese Ent­schei­dun­gen immer selbst). Von daher waren wir beide den Gesprächs­au­blauf schon gewöhnt. Ebenso das, was danach kommt. Der Gegen­stand ist nicht da, also braucht es einen Plan B. Wir über­le­gen also, wie die­ser Plan B aus­se­hen könnte. Im Perü­cken-Fall war es ein­fach. Mein Sohn ist halt ohne Perü­cke gegan­gen. Für das Motto “Gen­der Swap” war auch die ent­spre­chende Klei­dung aus­rei­chend. Das schlechte Gewis­sen hat mich trotz­dem kurz gepackt. Denn natür­lich hätte ich es ihm gegönnt, mit der Perü­cke einen auf­se­hen­er­re­gen­den Auf­tritt hin­zu­le­gen. Ich musste mir also kurz in Gedächt­nis rufen, dass ich die Perü­cke ja nicht klamm­heim­lich hin­ter dem Rücken der Kin­der ent­sorgt hatte. Das Los­las­sen von Besitz ist immer mit der Kon­fron­ta­tion einer mög­li­chen Fehl­ent­schei­dung ver­bun­den. Die Frage ist bloß: was gewichte ich per­sön­lich stär­ker? Wie groß ist meine Angst davor, even­tu­ell einer Fehl­ent­schei­dung zu begeg­nen? Und wel­che Kos­ten zahle ich für die unbe­dingte Ver­mei­dung von Fehl­ent­schei­dun­gen? Bringt es mir wirk­lich so viel, für die ganz sel­te­nen Aus­nah­men per­fekt vor­be­rei­tet zu sein? Was bedeu­tet das für die 90% mei­nes All­tags? Freue ich mich also über den sel­te­nen gro­ßen Tro­pen oder genieße ich das dau­ernde Rie­seln?

Die Kos­ten des Fest­hal­tens

Ich habe die Perü­cken-Epi­sode dann zum Anlass genom­men, noch wei­ter nach­zu­den­ken. Wie hoch wären die Kos­ten dafür gewe­sen, dass ich mei­nem Sohn die Perü­cke hätte geben kön­nen? Weit­rei­chend. Umfas­send. Inak­zep­ta­bel. “Warum? Du hät­test ja nur die Perü­cke auf­he­ben müs­sen.” Nein – das wäre rich­tig, wenn ich damals die Perü­cken-Frage vor­aus­ge­se­hen hätte. Ich hätte viel­mehr ALLES auf­he­ben müs­sen, was die Kin­der im Laufe ihrer Zeit beses­sen haben. Ebenso alles, was ich je beses­sen habe. Auch mein Mann hätte alles auf­he­ben müs­sen, was er je beses­sen hat. Ein enor­mer Auf­wand an Platz, Zeit und Ener­gie für einen ein­zi­gen Moment an einem Mitt­woch Mor­gen zwi­schen 7:23 und 7:25. Für mich ein ganz kla­res Indiz, dass Ein­satz und Ergeb­nis in kei­nem gesun­den Ver­hält­nis ste­hen.
Eine Vor­be­rei­tung auf alle Situa­tio­nen ist eine Vor­stel­lung, die nicht umsetz­bar ist. Die Situa­tio­nen, die wir uns anhand unse­res Besit­zes aus­ma­len, sind ja schon nur ein Teil aller mög­li­chen Situa­tio­nen, denen wir im Leben begeg­nen wer­den. Mög­li­cher­weise – wohl­ge­merkt. Strikt zu Ende gedacht sind wir also ohne­hin ganz mise­ra­bel aus­ge­stat­tet.

Der Gewinn des Los­las­sens

Oder aber wir besin­nen uns auf unsere Fle­xi­bi­li­tät und Lösungs­kom­pe­tenz. Denn die haben wir immer bei uns. Völ­lig unab­hän­gig vom Ort und von den Gegen­stän­den, die wir zur Ver­fü­gung haben. Ich per­sön­lich liebe es wirk­lich sehr, diese klei­nen All­tags­pro­bleme zu lösen. Ich fühle mich in sol­chen Momen­ten sehr leben­dig, spon­tan und krea­tiv. Natür­lich kenne auch ich den ers­ten Schreck. Aber es über­wiegt die Neu­gier: “Mh – wie wer­den wir das jetzt lösen?“
Ich würde mei­nen funk­tio­na­len All­tag nie­mals gegen diese spo­ra­di­schen Perü­cken-Momente ein­tau­schen.
Aber nicht nur der Platz ist ein Gewinn. Auch die Befrei­ung von ein­engen­den Vor­stel­lun­gen ist eine mas­sive Erleich­te­rung. Weni­ger “was wäre wenn” und mehr “ich ver­traue auf das, was ist”

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