
Wenn unser Besitz unsere Gedanken lähmt
Manche Fragen sind für mich wie ein Geschenk. Nämlich die, auf die ich nicht gleich antworten kann, sondern erstmal in Ruhe nachdenken möchte. Neulich hat mich wieder so eine Frage erreicht. Ich habe auf Facebook ein Video hochgeladen, worin ich erkläre, was ich denn mit “Bestandsaufnahme statt ausmisten” meine. Eine Zuseherin schrieb mich daraufhin an. Ob es darum ginge Gedanken auszumisten und Glaubenssätze loswerden oder Gegenstände.
Hm. Ich hatte meine Antwort im Kopf schon formuliert: um das Ausmisten von Sachen natürlich. Aber dann hab ich meine Antwort gelöscht. Ich wollte nochmal nachdenken. Erst am nächsten Tag schrieb ich zurück. Auf den ersten Blick sind es natürlich die Gegenstände, aber mit ihnen misten wir auch viele Gedanken aus. Gedanken, die uns in der Vergangenheit halten. Uns bremsen, weil wir nicht an uns glauben. Alte Vorstellungen von uns betonieren. Uns ablenken und so verhindern, dass wir unsere wirklichen Bedürfnisse erkennen und stillen.
Klingt alles ein wenig überladen? Ja, jetzt wo ich das schreibe, denke ich auch “Puh, das ist ganz schön hoch gegriffen”. Aber gleichzeitig weiß ich, dass es wahr ist.
Mir begegenen immer mal wieder Menschen, die das was ich tue für total albern halten. Aufräumen – das kann doch wohl jeder und jede. Aber es geht ja eben nicht nur ums Aufräumen. Es geht darum, sich mit dem eigenen Besitz auseinander zu setzen. Zu hinterfragen, wofür die Dinge stehen und warum es so schwer fällt, sich von dem was zuviel ist zu trennen. Manchmal liegt die Schwierigkeit eben darin, sich von den Gedanken zu trennen. Dann können auch die Gegenstände dazu nicht gehen. Ich nenne sie mal Anker-Dinge. Also die Dinge, die uns an unsere Gedanken ankern.
Da wo es zuviele dieser bremsenden Anker gibt, wird es keinen Platz für positive Gedanken geben. Zumindest aber weniger, als wir haben könnten.
Zwei Bereiche sind dabei besonders hartnäckig: Glaubenssätze und Vorstellungen, die wir von uns selbst haben.
Glaubenssätze, die uns bremsen
Sicher kennen Sie Glaubenssätze wie “Das kann ich nicht”, “Ich muss das alleine schaffen”, “Ich bin einfach so”.
Wir alle haben sie. Aber wir müssen sie nicht behalten. Denn: jeden unserer Glaubenssätze haben wir irgendwann mal gelernt. Oder besser gesagt: wir haben beschlossen sie zu glauben.
Nehmen wir den Satz “Das kann ich nicht”. Klar, wenn man das oft genug gesagt bekommt, kann es schon sein, dass man gar nicht anders kann, als dran glauben. Aber: andere Menschen hören den Satz und sagen sich “Denen zeig ich’s”. Sie entscheiden sich also, diesen Satz nicht zu glauben. Sie suchen sich einen anderen.

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Jetzt kommt der gute Teil: auch als Erwachsene können wir uns noch umentscheiden. Wir können noch sagen, “ab jetzt glaube ich etwas anderes”. Dann braucht es Hartnäckigkeit. Denn Rückschläge in alte Denkschleifen sind unvermeidlich.
Aber jetzt endlich mal zu den Dingen, die uns an unsere Glaubenssätze ankern.
Der dickste Glaubenssatz, der meinen KundInnen beim Aussortieren im Kopf sitzt ist ganz sicher “ich kann das nicht”. Ja, sie meinen damit auch das Ausmisten. Viel mehr meinen sie aber, die vielen kleinen Alltagsprobleme. Sie befürchten sie ohne ihre ganze Kleidung, Kochutensilien, Lebensmitteln, Taschen, Tüten und und und nicht lösen zu können. Dabei werden viele der herbei gedachten Probleme nie auftauchen. Trotzdem – man ist gerüstet. Es ist immer alles da, für den Fall das
- alle drei schwarzen Pullis in der Wäsche sind und man morgens aber unbedingt einen schwarzen Pulli anziehen will
- man einen Flohmarkt plant und dafür feste Tragetaschen braucht
- ein Umzug ansteht und man alle Geräte gut verpacken möchte
- der Sinn nach einem ausgefallenen indischen Gericht steht und man alle Gewürze dafür jederzeit bei der Hand haben möchte
- man doch wieder mal Lust hätte zu stricken und deshalb alle alten Strickhefte durchblättern möchte
- die Nachbarskinder zu Besuch kommen und sie etwas zum Spielen und Basteln vorfinden sollen
Die Begründungen sind endlos, warum man sich von dem was eigentlich zuviel ist, nicht trennen kann. Der Gedanke dahinter ist aber immer der gleiche: “Um Himmels willen, was soll ich nur machen, falls ich in diese oder jene Situation komme. Ich kann sie unmöglich ohne meine Sachen lösen.”
Doch können Sie.
Ich spiele dann immer das Worst Case-Szenario-Spiel.
- Was ist das Schlimmste was passieren kann, wenn Szenario X eintritt und Sie Gegenstand Y nicht haben?
- Ist das wirklich so schlimm?
- Was werden Sie dann statt dessen tun?
Das Spiel macht mir und meinen KundInnen gleichermaßen Spaß. Weil es sehr entlarvend ist. Vor allem aber zeigt es, dass sie soviel mehr Lösungskompetenz besitzen, als sie gedacht haben.
Vorstellungen, die uns lahm legen
Nehmen wir mal Bücher. Ui ich weiß – ein heikles Thema. Bücher stehen für ganz viel. Sie formen unsere Ideen und auch unsere Persönlichkeit. Sie prägen, wie wir die Welt wahrnehmen. Vielleicht sogar wie wir uns wahrnehmen.
Geben wir also all das weg, wenn wir unsere Bücher weggeben? Der Gedanke kommt natürlich auf. Aber die Furcht ist grundlos. Wir sind wer wir sind – auch ohne die Bücher. Wir hoffen, was wir hoffen; wünschen, was wir wünschen; fürchten, was wir fürchten. Die Bücher als Platzhalter dafür brauchen wir nicht.
Wir haben vielleicht mal ein großes Interesse für griechische antike Architektur gehabt. Davon zeugen jede Menge Bücher, dicke Bildbände, Kursskripte. Das Leben hat uns inzwischen andere interessante Dinge gezeigt. Die griechische antike Architektur fesselt uns nicht mehr so, wie sie es mal getan hat.
Behalten? Wenn ich im Sinne einer Bestandsaufnahme spreche, also einer regelmäßigen Lebensinventur, rate ich immer dazu, sich zu trennen.
Nicht, wenn Sie als einziges Steckenpferd die griechischen Tempel hatten.
Schon, wenn Sie sich auch noch für mehrere Sprachen, Wildkräuter, Kalligraphie, Kochen und Backen, Möbelrestaurierung interessiert HABEN. Woran man dann festhält, ist die Vorstellung von uns als
- gewandte Gesprächspartnerin im Italienurlaub
- Sammlerin von Wildkräutern, um daraus Tees zu zusammen zu stellen
- tief versunken in die Kunst der Kalligraphie
- gewandte Köchin
- Bäckerin von ausgefallenen Torten
- geschickte Handwerkerin, die tolle Möbelstücke aus unscheinbaren Flohmarktfunden schält
Viele dieser Vorstellungen begeistern uns eine Weile und motivieren uns. Oftmals möchten wir so sein, wie andere. Wir wünschen uns auch die gleiche Erfüllung in einer Leidenschaft zu finden, wie diese Bekannte oder jener Instagrammer.
Aber nicht immer bleibt das Feuer des Anfangs. Dann tun wir uns einen größeren Gefallen, uns auch von den Ankern zu lösen. Sonst werden wir nicht erfahren, was denn unsere Begeisterung wirklich wach halten würde. Stattdessen sammeln wir Hobby-Leichen.
Und mal ganz unter uns: Auch ohne eine ausgepräge Hobby-Leidenschaft ist ein erfülltes Leben möglich.
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Und übrigens: wir misten nicht aus. Wir machen eine Bestandsaufnahme: des Lebens, der Wünsche und der Bedürfnisse.
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