Da hängen Erinnerungen dran
Ja, die Sache mit den Erinnerungsstücken ist eine der hartnäckigsten. Erinnerungen sind etwas nahezu Heiliges und sie loszulassen kommt einem Frevel gleich. Der Satz „Das erinnert mich an…“ hat mich am Anfang meiner Tätigkeit schachmatt gesetzt. Ich war sofort bereit, meine Kunden damit in eine unbegrenzte Schutzzone entweichen zu lassen. Natürlich kann ich nicht ermessen, wie wichtig manche Erinnerungsstücke sind. Aber ich habe im Laufe meiner Arbeit gemerkt, dass es sich dabei eben nicht selten um eine Ausrede handelt. Ausreden schützen uns davor, eine Entscheidung zu treffen. Es ist richtig: man ist nicht immer in der Lage eine Entscheidung zu treffen. Besser ist es aber dann, sich genau das einzugestehen. „Ich bin jetzt nicht in der Lage, eine gute, für mich passende Entscheidung zu treffen.“
Inzwischen weiß ich besser, was ich tun kann. Ich finde mit meinen Kunden heraus
- ob es sich um eine Ausrede handelt
- warum es so wichtig ist, an dieser Ausrede festzuhalten
- welche Wege man gehen kann, um sich von der Ausrede zu befreien
Was ist denn so schlimm an Erinnerungen?
Damit Sie jetzt nicht panisch denken, Sie müssten sich von allen Erinnerungen lossagen, hier erstmal die Entwarnung: Erinnerungen sind wichtig. Egal, ob schön oder schmerzlich. Problematisch werden sie nur, wenn sie unser Leben in der Gegenwart behindern. Wenn wir es nicht schaffen, uns von unseren Erinnerungen zu lösen, dann wird es Zeit sich Gedanken zu machen und sich ein paar Fragen zu stellen.
Erinnerungen an sich sind also nicht das Problem, sondern der Umgang damit. Wir können in Erinnerungen schwelgen und uns dann wieder dem Alltag zuwenden. Dann haben uns die Erinnerungen in eine positive Stimmung versetzt. Wir konnten Erlebnissen nochmal nachspüren und uns darüber freuen. Wir konnten uns an verstorbene Menschen erinnern, an vergangene Freundschaften und dankbar sein, diese Menschen gekannt zu haben
Oder wir können in Erinnerungen schwelgen und den Absprung in den gegenwärtigen Augenblick nicht schaffen. Wir hadern dann mit der Gegenwart, weil uns Sehnsucht und Trauer nach Vergangenem gefangen halten. In diesem Fall ist noch ein wichtiger Schritt zu gehen: akzeptieren, dass etwas vorbei und nicht wiederholbar ist. Das ist ein schwerer Schritt und ich verstehe jeden, der sich damit schwer tut.
Das Leben in der Vergangenheit kann auch die Wohnsituation schwer beeinträchtigen. Dann stehen Kisten mit Fotos herum, sämtliche Kinderkunstwerke lagern irgendwo, die Regale sind voller Souvenirs und die Schränke voll mit Erbstücken. Für die Gegenwart ist in solchen Wohnungen kaum Platz. Folglich auch nicht für die Zukunft. Wer in einer solchen Umgebung lebt, der leidet. Oft ohne es richtig artikulieren zu können. Sehr oft leiden auch die Mitbewohner.
Beim Ausmisten öffnen sich Schleusen. Das bewusste Betrachten und Hinterfragen jedes einzelnen Stücks bringt viel zu Tage und ebnet den Weg zur wichtigsten Form der Ehrlichkeit: der Ehrlichkeit zu sich selbst.
Wie sieht es mit der Wertschätzung aus?
Diese Frage muss ich oft stellen: warum liegt das gehäkelte Deckchen der Oma, zerknittert und mit Kaffeflecken versehen, unter dem Zeitungsstapel? Warum hat es keinen prominenten Platz, sodass man sich tagtäglich an die Oma erinnert? Lieblos aufbewahrte Erinnerungen – damit habe ich es sehr oft zu tun. Beim Durchsehen ermuntere ich meine Kunden dazu, herauszufinden warum diese Stücke nicht wertschätzender behandelt werden. Danach überlegen wir uns Alternativen. Wie können die Erinnerungsstücke besser aufbewahrt werden? Muss man wirklich alle Gegenstände behalten, oder genügen z.B. ein paar Platzhalter? Kann sich der Kunde von der Erinnerung vielleicht jetzt doch lösen und damit auch von den dazugehörigen Dingen?
Ein paar typische Vertreter von Erinnerungsstücken und Vorschläge dazu
1. Persönliche Erlebnisse
Urlaubssouvenirs
– Häferl: aus welchen Häferln trinken Sie wirklich gerne und regelmäßig? Misten Sie die anderen aus.
– Prospekte: heben Sie die wichtigesten auf, oder beschränken Sie sich pro Urlaub auf eine vernünftige Anzahl. Gesammelt können die in einer Kiste oder einem Ordner aufbewahrt werden.
– Dekogegenstände: heben Sie von jedem Urlaub nur einen auf und stellen Sie sie gemeinsam in einem Regal auf.
– Kleidung: sortieren Sie aus, was Sie nicht mehr tragen. Davon heben Sie jeweils ein Stück Stoff auf und nähen (oder lassen nähen) eine Urlaubsdecke; oder Sie machen eine Collage.
– Steine und Muscheln: sehen schön in einer großen Glasvase aus
Eintrittskarten/Prospekte
Gehen Sie die Karten durch und lassen Sie Ihren Bauch sprechen. Vermittelt Ihnen die Karte ein lebendiges Bild vom Konzert oder dem Kinoabend? Heben Sie nur Karten der wirklich eindrucksvollen Verantstaltungen auf. Was Sie behalten möchten, könnten Sie in ein Heft kleben und ein paar Worte dazu schreiben.
Schulzeit/Studienzeit
Seien Sie wählerisch. Nehmen Sie sich Zeit und blättern in Ruhe durch Hefte und Ordner. Hören Sie auf Ihren Bauch. Er ist ein guter Ratgeber in diesen Angelegenheiten. Setzen Sie sich ein Limit: z.B. aus jeder Klasse zwei Hefte/die fünf besten Zeichnungen.
Liegt das Studium mehr als fünf Jahre zurück, können Sie vermutlich alle Aufzeichnungen entsorgen – außer, sie arbeiten noch regelmäßig mit ihnen.
2. Erinnerungen an Personen
Erbstücke
– Gebrauchsgegenstände: finden Sie einen Gegenstand, den Sie regelmäßig benutzen wollen. Z.b. ein Häferl, einen Kerzenständer, eine bestimmte Bettwäsche oder ein Geschirrtuch. Wenn Sie regmäßig etwas von Ihrer Großmutter in der Hand haben, ist deren Andenken viel mehr Wertschätzung entgegengebracht. Für die Erinnerung verloren ist alles, was Sie wahllos in Kisten aufbewahren. Vielleicht sogar verstecken?
– Wertgegenstände: Münzsammlungen; Silberbesteck; antiquarische Bücher; Geschirr: Scheuen Sie sich nicht, diese Dinge – falls sie seit Jahren unbenutzt gelagert werden – schätzen zu lassen. Überlegen Sie sich, ob es nicht eine Anschaffung gibt, die Sie sich mit dem Verkauf leisten wollen. Ein schönes neues Service, mithilfe der verkauften Münzsammlung zugelegt, wird das Andenken lebendiger halten, als die Münzsammlung im Keller.
Geschenke
Ja, es gibt sie hin und wieder: Geschenke, die nicht den eigenen Geschmack treffen. Auch Sie liegen vielleicht manchmal daneben, wenn Sie ein Geschenk auswählen. Würden Sie aber deshalb wollen, dass das Stück auf Biegen und Brechen aufgehoben wird? Sie wären vielleicht etwas enttäuscht, eventuell wäre es Ihnen auch leicht peinlich. Aber so ein Mißgriff ist kein Grund, eine Freundschaft in Frage zu stellen. Also: gehen Sie einfach davon aus, dass auch der Schenker großzügig wäre und Verständnis hätte, wenn Sie die Keramikvase weiterwandern lassen. Die Volkshilfeläden (hier die Liste der Wiener Shops) nehmen Ihnen gerne die Stücke ab. Jemand anderer kann sich dann darüber wirklich freuen.
Das Bild meiner Großeltern
Zu dem Bild auf dem Foto gibt es folgende persönliche Geschichte: Das Bild hing bei meinen Großeltern über dem Sofa. Wann immer ich sie besucht habe, bin richtiggehend in die Szene eingetaucht. Ich habe mir überlegt, wer wohl in dem Turm wohnt. Wer in der Kutsche sitzt, die gleich über die Brücke fährt. Wer das Bild wohl gemalt hat und wo es gemalt wurde.
Wenn wir bei meinen Großeltern um den Couchtisch saßen, war es für mich als Kind oft fürchterlich langweilig. Aber dieses Bild hat mir während vieler endloser Erwachsenengespräche Geschichten erzählt. Deshalb habe ich es.
Ich kann nichtmal sagen, ob es mir gefällt oder nicht – so stark sind die Erinnerungen, die ich damit verbinde. Und dennoch lehnt es seit Jahren an der Wand. Immerhin, ich kann es vom Bett aus sehen, aber liebevoll bin ich bis heute nicht damit umgegangen. Aber das wird sich ändern: ich werde es aufhängen und so jeden Abend vor dem Schlafen an meine Großeltern denken: An die langen Nachmittage mit Kaffee und Kuchen, an den Geruch der Wohnung und wie sie da so sitzen, nebeneinander auf dem Sofa.
Welche Erinnerungsstücke sind Ihnen wichtig? Aus welchen würden Sie gerne mehr machen?
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