Aus­re­den aus­mis­ten – Num­mer 2: Erin­ne­rungs­stü­cke

Da hän­gen Erin­ne­run­gen dran

Ja, die Sache mit den Erin­ne­rungs­stü­cken ist eine der hart­nä­ckigs­ten. Erin­ne­run­gen sind etwas nahezu Hei­li­ges und sie los­zu­las­sen kommt einem Fre­vel gleich. Der Satz „Das erin­nert mich an…“ hat mich am Anfang mei­ner Tätig­keit schach­matt gesetzt. Ich war sofort bereit, meine Kun­den damit in eine unbe­grenzte Schutz­zone ent­wei­chen zu las­sen. Natür­lich kann ich nicht ermes­sen, wie wich­tig man­che Erin­ne­rungs­stü­cke sind. Aber ich habe im Laufe mei­ner Arbeit gemerkt, dass es sich dabei eben nicht sel­ten um eine Aus­rede han­delt. Aus­re­den schüt­zen uns davor, eine Ent­schei­dung zu tref­fen. Es ist rich­tig: man ist nicht immer in der Lage eine Ent­schei­dung zu tref­fen. Bes­ser ist es aber dann, sich genau das ein­zu­ge­ste­hen. „Ich bin jetzt nicht in der Lage, eine gute, für mich pas­sende Ent­schei­dung zu tref­fen.“

Inzwi­schen weiß ich bes­ser, was ich tun kann. Ich finde mit mei­nen Kun­den her­aus

  • ob es sich um eine Aus­rede han­delt
  • warum es so wich­tig ist, an die­ser Aus­rede fest­zu­hal­ten
  • wel­che Wege man gehen kann, um sich von der Aus­rede zu befreien

Was ist denn so schlimm an Erin­ne­run­gen?

Damit Sie jetzt nicht panisch den­ken, Sie müss­ten sich von allen Erin­ne­run­gen los­sa­gen, hier erst­mal die Ent­war­nung: Erin­ne­run­gen sind wich­tig. Egal, ob schön oder schmerz­lich. Pro­ble­ma­tisch wer­den sie nur, wenn sie unser Leben in der Gegen­wart behin­dern. Wenn wir es nicht schaf­fen, uns von unse­ren Erin­ne­run­gen zu lösen, dann wird es Zeit sich Gedan­ken zu machen und sich ein paar Fra­gen zu stel­len.

Erin­ne­run­gen an sich sind also nicht das Pro­blem, son­dern der Umgang damit. Wir kön­nen in Erin­ne­run­gen schwel­gen und uns dann wie­der dem All­tag zuwen­den. Dann haben uns die Erin­ne­run­gen in eine posi­tive Stim­mung ver­setzt. Wir konn­ten Erleb­nis­sen noch­mal nach­spü­ren und uns dar­über freuen. Wir konn­ten uns an ver­stor­bene Men­schen erin­nern, an ver­gan­gene Freund­schaf­ten und dank­bar sein, diese Men­schen gekannt zu haben

Oder wir kön­nen in Erin­ne­run­gen schwel­gen und den Absprung in den gegen­wär­ti­gen Augen­blick nicht schaf­fen. Wir hadern dann mit der Gegen­wart, weil uns Sehn­sucht und Trauer nach Ver­gan­ge­nem gefan­gen hal­ten. In die­sem Fall ist noch ein wich­ti­ger Schritt zu gehen: akzep­tie­ren, dass etwas vor­bei und nicht wie­der­hol­bar ist. Das ist ein schwe­rer Schritt und ich ver­stehe jeden, der sich damit schwer tut.

Das Leben in der Ver­gan­gen­heit kann auch die Wohn­si­tua­tion schwer beein­träch­ti­gen. Dann ste­hen Kis­ten mit Fotos herum, sämt­li­che Kin­der­kunst­werke lagern irgendwo, die Regale sind vol­ler Sou­ve­nirs und die Schränke voll mit Erb­stü­cken. Für die Gegen­wart ist in sol­chen Woh­nun­gen kaum Platz. Folg­lich auch nicht für die Zukunft. Wer in einer sol­chen Umge­bung lebt, der lei­det. Oft ohne es rich­tig arti­ku­lie­ren zu kön­nen. Sehr oft lei­den auch die Mit­be­woh­ner.

Beim Aus­mis­ten öff­nen sich Schleu­sen. Das bewusste Betrach­ten und Hin­ter­fra­gen jedes ein­zel­nen Stücks bringt viel zu Tage und ebnet den Weg zur wich­tigs­ten Form der Ehr­lich­keit: der Ehr­lich­keit zu sich selbst.

Wie sieht es mit der Wert­schät­zung aus?

Diese Frage muss ich oft stel­len: warum liegt das gehä­kelte Deck­chen der Oma, zer­knit­tert und mit Kaff­e­fle­cken ver­se­hen, unter dem Zei­tungs­sta­pel? Warum hat es kei­nen pro­mi­nen­ten Platz, sodass man sich tag­täg­lich an die Oma erin­nert? Lieb­los auf­be­wahrte Erin­ne­run­gen – damit habe ich es sehr oft zu tun. Beim Durch­se­hen ermun­tere ich meine Kun­den dazu, her­aus­zu­fin­den warum diese Stü­cke nicht wert­schät­zen­der behan­delt wer­den. Danach über­le­gen wir uns Alter­na­ti­ven. Wie kön­nen die Erin­ne­rungs­stü­cke bes­ser auf­be­wahrt wer­den? Muss man wirk­lich alle Gegen­stände behal­ten, oder genü­gen z.B. ein paar Platz­hal­ter? Kann sich der Kunde von der Erin­ne­rung viel­leicht jetzt doch lösen und damit auch von den dazu­ge­hö­ri­gen Din­gen?

Ein paar typi­sche Ver­tre­ter von Erin­ne­rungs­stü­cken und Vor­schläge dazu

1. Per­sön­li­che Erleb­nisse
Urlaubs­sou­ve­nirs
– Häferl: aus wel­chen Häferln trin­ken Sie wirk­lich gerne und regel­mä­ßig? Mis­ten Sie die ande­ren aus.
– Pro­spekte: heben Sie die wich­ti­ges­ten auf, oder beschrän­ken Sie sich pro Urlaub auf eine ver­nünf­tige Anzahl. Gesam­melt kön­nen die in einer Kiste oder einem Ord­ner auf­be­wahrt wer­den.
– Deko­ge­gen­stände: heben Sie von jedem Urlaub nur einen auf und stel­len Sie sie gemein­sam in einem Regal auf.
– Klei­dung: sor­tie­ren Sie aus, was Sie nicht mehr tra­gen. Davon heben Sie jeweils ein Stück Stoff auf und nähen (oder las­sen nähen) eine Urlaubs­de­cke; oder Sie machen eine Col­lage.
– Steine und Muscheln: sehen schön in einer gro­ßen Glas­vase aus

Eintrittskarten/​Prospekte
Gehen Sie die Kar­ten durch und las­sen Sie Ihren Bauch spre­chen. Ver­mit­telt Ihnen die Karte ein leben­di­ges Bild vom Kon­zert oder dem Kino­abend? Heben Sie nur Kar­ten der wirk­lich ein­drucks­vol­len Verant­stal­tun­gen auf. Was Sie behal­ten möch­ten, könn­ten Sie in ein Heft kle­ben und ein paar Worte dazu schrei­ben.

Schulzeit/​Studienzeit
Seien Sie wäh­le­risch. Neh­men Sie sich Zeit und blät­tern in Ruhe durch Hefte und Ord­ner. Hören Sie auf Ihren Bauch. Er ist ein guter Rat­ge­ber in die­sen Ange­le­gen­hei­ten. Set­zen Sie sich ein Limit: z.B. aus jeder Klasse zwei Hefte/​die fünf bes­ten Zeich­nun­gen.
Liegt das Stu­dium mehr als fünf Jahre zurück, kön­nen Sie ver­mut­lich alle Auf­zeich­nun­gen ent­sor­gen – außer, sie arbei­ten noch regel­mä­ßig mit ihnen.

2. Erin­ne­run­gen an Per­so­nen
Erb­stü­cke
– Gebrauchs­ge­gen­stände: fin­den Sie einen Gegen­stand, den Sie regel­mä­ßig benut­zen wol­len. Z.b. ein Häferl, einen Ker­zen­stän­der, eine bestimmte Bett­wä­sche oder ein Geschirr­tuch. Wenn Sie reg­mä­ßig etwas von Ihrer Groß­mutter in der Hand haben, ist deren Andenken viel mehr Wert­schät­zung ent­ge­gen­ge­bracht. Für die Erin­ne­rung ver­lo­ren ist alles, was Sie wahl­los in Kis­ten auf­be­wah­ren. Viel­leicht sogar ver­ste­cken?

– Wert­ge­gen­stände: Münz­samm­lun­gen; Sil­ber­be­steck; anti­qua­ri­sche Bücher; Geschirr: Scheuen Sie sich nicht, diese Dinge – falls sie seit Jah­ren unbe­nutzt gela­gert wer­den – schät­zen zu las­sen. Über­le­gen Sie sich, ob es nicht eine Anschaf­fung gibt, die Sie sich mit dem Ver­kauf leis­ten wol­len. Ein schö­nes neues Ser­vice, mit­hilfe der ver­kauf­ten Münz­samm­lung zuge­legt, wird das Andenken leben­di­ger hal­ten, als die Münz­samm­lung im Kel­ler.

Geschenke
Ja, es gibt sie hin und wie­der: Geschenke, die nicht den eige­nen Geschmack tref­fen. Auch Sie lie­gen viel­leicht manch­mal dane­ben, wenn Sie ein Geschenk aus­wäh­len. Wür­den Sie aber des­halb wol­len, dass das Stück auf Bie­gen und Bre­chen auf­ge­ho­ben wird? Sie wären viel­leicht etwas ent­täuscht, even­tu­ell wäre es Ihnen auch leicht pein­lich. Aber so ein Miß­griff ist kein Grund, eine Freund­schaft in Frage zu stel­len. Also: gehen Sie ein­fach davon aus, dass auch der Schen­ker groß­zü­gig wäre und Ver­ständ­nis hätte, wenn Sie die Kera­mik­vase wei­ter­wan­dern las­sen. Die Volks­hil­fe­l­ä­den (hier die Liste der Wie­ner Shops) neh­men Ihnen gerne die Stü­cke ab. Jemand ande­rer kann sich dann dar­über wirk­lich freuen.

Das Bild mei­ner Groß­el­tern

Zu dem Bild auf dem Foto gibt es fol­gende per­sön­li­che Geschichte: Das Bild hing bei mei­nen Groß­el­tern über dem Sofa. Wann immer ich sie besucht habe, bin rich­tig­ge­hend in die Szene ein­ge­taucht. Ich habe mir über­legt, wer wohl in dem Turm wohnt. Wer in der Kut­sche sitzt, die gleich über die Brü­cke fährt. Wer das Bild wohl gemalt hat und wo es gemalt wurde.

Wenn wir bei mei­nen Groß­el­tern um den Couch­tisch saßen, war es für mich als Kind oft fürch­ter­lich lang­wei­lig. Aber die­ses Bild hat mir wäh­rend vie­ler end­lo­ser Erwach­se­nen­ge­sprä­che Geschich­ten erzählt. Des­halb habe ich es.

Ich kann nicht­mal sagen, ob es mir gefällt oder nicht – so stark sind die Erin­ne­run­gen, die ich damit ver­binde. Und den­noch lehnt es seit Jah­ren an der Wand. Immer­hin, ich kann es vom Bett aus sehen, aber lie­be­voll bin ich bis heute nicht damit umge­gan­gen. Aber das wird sich ändern: ich werde es auf­hän­gen und so jeden Abend vor dem Schla­fen an meine Groß­el­tern den­ken: An die lan­gen Nach­mit­tage mit Kaf­fee und Kuchen, an den Geruch der Woh­nung und wie sie da so sit­zen, neben­ein­an­der auf dem Sofa.

Wel­che Erin­ne­rungs­stü­cke sind Ihnen wich­tig? Aus wel­chen wür­den Sie gerne mehr machen?

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